Der Personalmangel im Gesundheitswesen bringt schon heute viele Kliniken und Arztpraxen ans Limit. Auch die Radiologie ist betroffen: Vielerorts sind die Personalreihen ausgedünnt, das vorhandene Personal ausgebrannt. Das gefährdet die Patientensicherheit und die Qualität der medizinischen Versorgung massiv. Woran liegt es und was können Personalverantwortliche tun, um die Personallücken zu schließen?

Personalmangel im Gesundheitswesen: Zahlen und Fakten

Wenn offene Stellen im Gesundheitswesen nicht mehr besetzt werden können oder zu wenig Beschäftigte vorhanden sind, um eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung aufrecht zu erhalten, spricht man von Personalmangel. Spätestens seit der Corona-Pandemie häufen sich Medienberichte über geschlossene Betten, aufgeschobene Operationen und Versorgungsengpässe in der Pflege, weil es an Personal fehlt. Doch wie schlimm steht es tatsächlich um den Personalmangel im Gesundheitswesen?

Im internationalen Vergleich schneidet die Schweiz derzeit noch gut ab: Mit 4,4 ÄrztInnen pro 1.000 EinwohnerInnen zählt sie zu den OECD-Ländern mit der höchsten Ärztedichte. Allerdings ist laut aktueller Statistik des Berufsverbands FMH bereits jeder zweite Arzt bzw. jede zweite Ärztin über 50, jeder vierte bzw. jede vierte Ärztin sogar über 60 Jahre alt. In den nächsten Jahren steht uns somit eine Pensionierungswelle bevor, die durch Neueinstellungen kaum zu kompensieren sein wird.

Das zumindest legt eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers (PwC) nahe. Dem Bericht zufolge werden in der Schweiz bereits 2030 rund 32.500 Stellen von ÄrztInnen und Pflegenden nicht mehr zu besetzen sein. Bis zum Jahr 2040 soll die Personallücke auf insgesamt 45.000 Stellen anwachsen. Wie viele davon in der Radiologie fehlen, schlüsselt die PwC-Studie nicht im Detail auf.

Auch bei medizinisch-technischen Fachkräften ist mit signifikanten Versorgungsengpässen zu rechnen. Die Schweizerische Vereinigung der Radiologiefachpersonen (SVMRTA) geht in ihrer letzten Arbeitsmarktanalyse aus dem Jahr 2020 davon aus, dass in den nächsten fünf Jahren 226 diplomierte Radiologie-Fachkräfte pro Jahr zusätzlich gebraucht würden, um den steigenden Bedarf zu decken. Derzeit werden in der Schweiz jährlich aber nur ca. 150 Radiologie-Fachkräfte ausgebildet.

Welche Ursachen hat der Personalmangel?

Nicht nur in der Schweiz, auch in anderen entwickelten Staaten wie den USA oder Deutschland wird der Personalmangel im Gesundheitswesen zunehmend zum Problem. Schuld ist ein Zusammenspiel an Ursachen, die sich nicht ohne Weiteres beheben lassen:

  • Demografische Entwicklung: Der Haupttreiber für den Personalmangel im Gesundheitswesen ist die demografische Situation. Eine immer älter werdende Gesellschaft benötigt mehr medizinische Leistungen, zugleich rücken aber immer weniger junge Arbeitskräfte nach. Dadurch geht die Schere zwischen Personalbedarf und verfügbaren Fachkräften immer weiter auf.
  • Höheres Arbeitsvolumen: Medizinisch-technische Fortschritte erlauben heute präzisere radiologische Diagnosen, sorgen aber zugleich für mehr Arbeit. So haben die modernen Schnittbildtechniken wie MRT, CT und Tomosynthese das Bildvolumen, das RadiologInnen zu befunden haben, teils drastisch erhöht. Zudem übernehmen RadiologInnen heute auch immer mehr therapeutische Eingriffe, beispielsweise im Bereich der Neuroradiologie.
  • Abnehmendes Arbeitspensum: Während somit das Arbeitsvolumen steigt, ist zugleich ein Trend zur Verringerung der Arbeitszeit beobachtbar. Laut FMH-Ärztestatistik ist die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der Schweizer ÄrztInnen von 49,3 Stunden im Jahr 2012 auf 47,7 Stunden im Jahr 2022 gesunken.
  • Versäumnisse in der Ausbildung: Da in der Schweiz traditionell wenig medizinische Fachkräfte ausgebildet werden, ist das Land stark von ausländischen Fachkräften abhängig. Fast 40 Prozent der derzeit aktiven ÄrztInnen in der Schweiz besitzen laut FMH ein ausländisches Diplom – ein Spitzenwert in Europa. Die Länder, aus denen die Fachkräfte stammen (hauptsächlich Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich), leiden aber ebenfalls einen zunehmenden Personalmangel.

Fehlt es längerfristig an Personal, so kann sich ein verhängnisvoller Teufelskreis einstellen: Die verbliebenen Fachkräfte sind zunehmend überlastet und flüchten aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen in andere Sektoren oder in die Teilzeit-Arbeit.

Auswirkungen des Personalmangels sind drastisch

Durch den Personalmangel geraten hoch entwickelte Gesundheitssysteme immer mehr in eine Schieflage: PatientInnen erhalten nicht mehr die bestmögliche Behandlung, weil es an personellen Ressourcen fehlt. Wenn PatientInnen wochenlang auf eine MRT-Untersuchung warten müssen oder eine Thrombektomie bei einem Schlaganfall-Patienten aufgrund fehlenden Personals nicht durchgeführt werden kann, ist das für alle Beteiligten eine äußerst frustrierende Situation.

Der Personalmangel gefährdet aber nicht nur die Patientensicherheit, sondern auch die Gesundheit von ÄrztInnen, Pflegenden und medizinisch-technischem Personal. So leiden RadiologInnen in der Brustkrebs-Früherkennung schon heute unter alarmierend hohen Burnout-Raten. Laut der internationalen Studie „Radiology Staff in Focus“ stehen auch medizinisch-technische Radiologie-Fachkräfte unter hohem Druck: Mäßige oder starke Burnout-Symptome wurden etwa in Großbritannien (30 %), den USA (36 %), Frankreich (33 %) und Deutschland (97 %) berichtet. Es besteht somit dringender Handlungsbedarf, um die Arbeitsbedingungen in der Radiologie zu verbessern und einem weiteren Abdriften von Fachkräften entgegenzuwirken.

Personalmangel in der Radiologie bekämpfen: 5 Strategien und konkrete Handlungsoptionen

Die demografische Entwicklung als Hauptursache für den Personalmangel im Gesundheitswesen ist unumkehrbar. Welche konkreten Handlungsoptionen stehen Personalverantwortlichen unter diesen Voraussetzungen offen, um gut ausgebildete und motivierte Fachkräfte zu gewinnen und zu halten? Wir schlagen folgende fünf Strategien vor, um dem Personalmangel in der Radiologie zu begegnen:

1. Zeitgemäßes Personalmarketing

Die Basis bilden zeitgemäße und professionelle Personalmarketing-Strategien, um für ausreichenden Nachschub in den eigenen Reihen zu sorgen:

  • Active Sourcing: Gesundheitseinrichtungen mit hohem Personalbedarf müssen heute zielgerichtet und proaktiv um Fachkräfte werben. Um offene Stellen rascher nachbesetzen zu können, ist der Aufbau eines Talentpools sehr empfehlenswert – hierzu bedarf es intensiver Zusammenarbeit und Koordination zwischen HR-Abteilung und den einzelnen Fachabteilungen.
  • Zielgruppenspezifische Rekrutierungskanäle: Viele Kliniken und Praxen nutzen heute zusätzlich oder anstatt klassischer Stelleninserate auch Karriereplattformen wie LinkedIn und XING, diverse Social-Media-Kanäle, auf den Medizinbereich spezialisierte Online-Jobportale – oder lassen sich von Personalvermittlungen unterstützen.
  • Praktika und Schnuppertage: Das Berufsbild der diplomierten Radiologiefachkraft ist unter jungen SchulabgängerInnen wenig bekannt, was den zukünftigen Personalmangel noch verstärkt. Praktika oder Schnuppertage können die Sichtbarkeit erhöhen und ermöglichen ein gegenseitiges Kennenlernen von ArbeitgeberInnen und Auszubildenden.
  • Ausbildungsförderungen und Stipendien: Die Ausbildungsvergütung für diplomierte Radiologiefachkräfte ist vergleichsweise gering. Ausbildungsförderungen schaffen für junge Menschen daher einen zusätzlichen Anreiz, sich für diesen Karriereweg zu entscheiden. Als Zeichen der Wertschätzung tragen sie auch dazu bei, junge Fachkräfte an das Unternehmen zu binden.

2. Ein optimales Arbeitsumfeld schaffen

Die Rekrutierung von Personal ist nur dann nachhaltig, wenn es gelingt, Mitarbeitende anschließend auch zu binden. Zu den wichtigsten Strategien gegen Personalmangel zählt daher die Gestaltung attraktiver Arbeitsbedingungen. Was lässt sich tun, damit gut ausgebildete Fachkräfte dem Unternehmen treu bleiben?

  • Feedback einholen: Mitarbeitende wissen selbst oft am besten, wo der Schuh drückt. Personalverantwortliche sollten daher gezielt nachfragen und sich im Rahmen von Mitarbeitergesprächen oder (anonymen) Personalbefragungen Feedback einholen. Oft können Mitarbeitende auch fundierte Lösungsvorschläge für wahrgenommene Probleme liefern.
  • Flexiblere Arbeitszeitmodelle: Ein großes Thema sind heute individuelle und bedarfsgerechte Arbeitszeitmodelle, die den Bedürfnissen der Mitarbeitenden entgegenkommen. Angebote wie Teilzeit oder zusätzliche Ferientage können die Arbeitgeber-Attraktivität erhöhen. Eine weitere Möglichkeit sind längere Blockarbeitszeiten, die anschließend mehrere freie Tage am Stück erlauben.
  • Kinderbetreuungsangebote: Neben bedarfsgerechten Arbeitszeiten und verlässlichen Dienstplänen benötigen viele Mütter und Väter auch Kinderbetreuungsangebote oder Zuschüsse zur Kinderbetreuung, um wieder in ihren Beruf einzusteigen oder von Teilzeit auf Vollzeit zu wechseln.
  • Betriebliche Gesundheitsförderung: Zur Kompensation unvermeidbarer Stressbelastungen können betriebliche Angebote wie Ernährungsberatung, Sportkurse, Entspannungstraining oder gesunde Mahlzeiten in der Kantine eine wertvolle Unterstützung sein.

3. Vergütungsstrukturen und Karrierewege anpassen

Mit Lohnerhöhungen allein ist dem Personalmangel im Gesundheitswesen zwar nicht beizukommen. Dennoch: Gerade Radiologiefachkräfte sind laut aktueller SVMRTA-Umfrage mit ihrem Gehalt und ihrer Karriereperspektive oft unzufrieden. Folgende Maßnahmen können die Attraktivität des Berufsbilds oder des Arbeitgebers erhöhen:

  • Leistungsgerechte Vergütung und Boni: Wer mehr Verantwortung, zusätzliche Aufgabenbereiche oder Überstunden übernimmt, sollte dafür auch angemessen finanziell entlohnt werden.
  • Erweiterte Laufbahnmöglichkeiten: Gerade das Berufsbild der Radiologiefachkraft wird vielfach als Einbahnstraße wahrgenommen. Dabei gibt es schon heute Möglichkeiten der Spezialisierung und Fortbildung (z.B. im Bereich Radioonkologie oder Strahlenschutz), die jedoch betrieblich gefördert und gewürdigt werden müssen. International geht der Trend zur Akademisierung des Berufs. In den USA, aber auch in der Schweiz und in zahlreichen anderen Staaten sind mittlerweile Bachelor-Studiengänge für medizinisch-technische Radiologie verfügbar, die zur Aufwertung des Berufsbilds beitragen können.

4. Wichtige Zukunfts-Kompetenzen des Personals fördern

Radiologische Abteilungen und Praxen werden in Zukunft vor allem besser ausgebildete Fachkräfte benötigen. Deshalb sollten Gesundheitseinrichtungen schon heute in die Fähigkeiten ihres Personals investieren und durch geeignete Maßnahmen lebenslanges Lernen fördern, um dem Personalmangel vorzubeugen:

  • Interne und externe Weiterbildungsangebote: Kostenlose oder geförderte Fortbildungsangebote tragen nicht nur zu besseren Qualifikationen bei, sondern erhöhen auch die Arbeitgeber-Attraktivität. Die konkrete Auswahl von Weiterbildungsinhalten sollte bedarfsgerecht und zukunftsorientiert erfolgen (z.B. medizinische Informatik, neue Technologien).
  • Coaching- und Mentoring-Modelle: Durch die Digitalisierung und den technischen Fortschritt ist die Arbeit in der Radiologie in den letzten Jahren anspruchsvoller geworden. Fachkräfte, die nach einer Pause wieder in ihren Job einsteigen oder sich umschulen lassen, haben damit manchmal Schwierigkeiten. Coaching- und Mentoring-Modelle sind eine Möglichkeit, (Wieder-)EinsteigerInnen auf individueller Basis zu unterstützen.

5. Potenzial technischer Lösungen ausschöpfen

Trotz aller Bemühungen, Fachkräfte anzuwerben und zu halten, wird der Personalmangel im Gesundheitswesen in Zukunft zu einer permanenten Herausforderung werden. Radiologische Einrichtungen sollten daher auch die Potenziale moderner Technik nutzen, um Arbeitsprozesse zu vereinfachen und vorhandenes Personal zu entlasten. Gerade in der Radiologie sind die Möglichkeiten vielfältig:

  • Bürokratie-Abbau durch Digitalisierung: RadiologInnen und Radiologie-Fachkräfte verbringen heute einen wesentlichen Teil ihrer Zeit mit Nicht-Kerntätigkeiten wie der Organisation des Arbeitsablaufs oder dem Einholen fehlender Informationen. Elektronische Gesundheitsakten oder verbesserte Schnittstellen zwischen Radiologie und Überweisern könnten hier für Entlastung sorgen. Zahlreiche radiologische Praxen und Abteilungen haben die klassischen PatientInnen-Fragebögen mittlerweile digitalisiert, damit wichtige Informationen sofort zur Verfügung stehen und nicht mehr händisch übertragen werden müssen.
  • Automatisierung von Arbeitsschritten: Auch die Kernbereiche Untersuchung und Befundung lassen sich durch Automatisierung und Digitalisierung vereinfachen und effizienter gestalten. So schlagen moderne Systeme heute automatisch ein bestimmtes Untersuchungsprotokoll vor, nachdem die Patientenakte eingelesen wurde, oder geben Radiologie-Fachkräften unmittelbares Feedback zur Bildqualität.
  • Lösungen auf Basis Künstlicher Intelligenz: Viele Lösungen zur Automatisierung und Digitalisierung von Arbeitsschritten in der Radiologie basieren auf Künstlicher Intelligenz. Die Stärke von KI-Anwendungen liegt in der schnellen und präzisen Verarbeitung großer und komplexer Datensätze. Dadurch sind erhebliche Effizienz- und Qualitätsgewinne entlang der gesamten Behandlungskette möglich: von der Auswahl des richtigen Aufnahmeprotokolls über die automatische Überprüfung der Bildqualität bis hin zur KI-assistierten Befundung. So kann das Personal von zeitintensiven Arbeitsschritten entlastet werden, während zugleich die Patientensicherheit steigt.

Personalmangel in der Radiologie: Schon heute ins Handeln kommen

Weltweit steuern Gesundheitssysteme in entwickelten Staaten auf einen ernstzunehmenden Personalmangel zu. Um diese Herausforderung zu meistern, gilt es schon heute, die richtigen Entscheidungen zu treffen und Gesundheitseinrichtungen an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Sowohl Personalmanagement als auch technische Infrastrukturen und Prozesse müssen grundlegend transformiert werden, um in Zukunft eine hochwertige medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten.