Der allgemeine Fachkräftemangel in der Medizin und im Gesundheitswesen bringt auch die Brustkrebsvorsorge ans Limit: Immer weniger RadiologInnen und MTRAs haben immer mehr Patientinnen in kürzerer Zeit abzufertigen. Darunter leidet das Betriebsklima und die Arbeitszufriedenheit, darunter leidet aber vor allem die Qualität der Gesundheitsprävention von Millionen Frauen. Der demografische Wandel wird die Situation künftig verschärfen. Wie lässt sich ein drohender Kollaps der medizinischen Versorgung vermeiden?
Wie viele Fachkräfte fehlen in der Medizin?
Es sind alarmierende Zahlen, die das Ausmaß des Fachkräftemangels in der Medizin verdeutlichen: Laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) können schon heute 7 Prozent der offenen Stellen im Gesundheitswesen nicht mehr besetzt werden, weil geeignete Fachkräfte fehlen. Die Situation könnte sich in den nächsten Jahren noch einmal dramatisch zuspitzen. Für das Jahr 2035 prognostizieren die StudienautorInnen einen Personalengpass von 35 Prozent – jede dritte Stelle würde damit unbesetzt bleiben.
In welchen Bereichen herrscht besonderer Fachkräftemangel?
Besonders prekär ist die Situation in der Alten- und Krankenpflege, wo im Jahr 2035 bis zu 37 Prozent aller Stellen offenbleiben könnten. Doch auch im ärztlichen Bereich drohen massive Personalengpässe. Fast 30 Prozent der Stellen in der Human- und Zahnmedizin werden 2035 nicht mehr besetzt werden können, schätzen die ExpertInnen von PwC.
Der Fachkräftemangel in der Medizin beschränkt sich dabei nicht allein auf Deutschland. Auch andere Industrieländer wie die USA haben mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen. Nach Angaben der US-amerikanischen Association of American Medical Colleges (AAMC) werden bis 2033 je nach Modellannahme zwischen 54.000 und 139.000 ÄrztInnen fehlen, darunter 21.000 bis 55.000 im Bereich der Primärversorgung.
Warum gibt es den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen?
Dass gerade der Gesundheitssektor so massiv von Personalengpässen betroffen ist, hat mehrere Gründe:
1. Demografischer Wandel
Der Haupttreiber des Fachkräftemangels in der Medizin ist der demografische Wandel. Er trifft die Gesundheitssysteme der Industriestaaten gleich in doppelter Hinsicht: Einerseits steigt der Anteil an älteren, multimorbiden Menschen, die eine intensivere medizinische Betreuung benötigen. Parallel dazu wird aber auch das Gesundheitspersonal im Schnitt immer älter. Während die geburtenstarken Jahrgänge der Baby Boomer sukzessive das Rentenalter erreichen, rücken zu wenige junge Menschen nach, um die Lücken zu füllen.
2. Unattraktive Arbeitsbedingungen
Ein weiterer Schlüsselfaktor des Fachkräftemangels in der Medizin sind die beruflichen Rahmenbedingungen. Körperliche und psychische Belastungen, Überstunden, Nachtdienste, mangelnde Anerkennung und schlechte Bezahlung führen zu hoher Fluktuation beim bestehenden Personal und lassen junge Menschen davor zurückschrecken, einen medizinischen Beruf zu ergreifen. So entsteht ein wahrer Teufelskreis: Je dünner die Personaldecke, desto mehr Druck lastet auf den verbleibenden MitarbeiterInnen – und desto größer wird die Wechselbereitschaft.
3. Versäumnisse im Bereich der Ausbildung
Vor allem an MTA-Schulen hat die Zahl der AbsolventInnen in den letzten Jahren stetig abgenommen. Ein möglicher Grund: Die fehlende Ausbildungsvergütung macht den Beruf für Jugendliche vergleichsweise unattraktiv.
Inwiefern ist die Brustkrebsvorsorge vom Fachkräftemangel betroffen?
Der Fachkräftemangel in der Medizin gefährdet die medizinische Versorgung quer durch alle Sektoren und Ebenen. Ganz besonders betroffen ist der Bereich der Brustkrebsprävention. Schon heute ist die Situation vielerorts prekär, weil es an GynäkologInnen, RadiologInnen und vor allem an MTRAs fehlt: Wie eine Studie des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) aus dem Jahr 2019 gezeigt hat, hat fast jedes zweite Krankenhaus Probleme, offene MRTA-Stellen zu besetzen. Angesichts rückläufiger SchülerInnen-Zahlen und einem parallel dazu steigenden Bedarf rechnet das DKI damit, dass sich der MRTA-Mangel künftig verschärfen wird.
Laut den Erhebungen der Unternehmensberatung PwC könnten in deutschen Krankenhäusern bis 2030 außerdem 4.000 RadiologInnen fehlen. Auch in den USA warnen Fachgesellschaften vor einem Radiologen-Mangel, der hauptsächlich von der demografischen Entwicklung getrieben wird: So sind laut American College of Radiology (ACR) bereits heute 53 Prozent der Radiologie-FachärztInnen 55 Jahre oder älter.
Welche Konsequenzen hat der Fachkräftemangel in der Medizin für die Brustkrebsvorsorge?
RadiologInnen und MRTAs brauchen keine Statistiken, um den Fachkräftemangel in der Medizin zu bemerken: Sie sehen es an ihrer Arbeitsbelastung, ihren Überstunden und dem zunehmenden Druck, dem sie sich ausgesetzt fühlen. Wie eine US-amerikanische Studie kürzlich gezeigt hat, sind die Burnout-Raten gerade unter RadiologInnen im Bereich der Brustkrebsvorsorge beunruhigend hoch.
Das liegt möglicherweise auch an den speziellen Rahmenbedingungen: Derzeit wird Frauen im Alter von 50 bis 69 alle zwei Jahre zu einem Brustkrebs-Screening geraten, etwa die Hälfte von ihnen nimmt das Angebot regelmäßig in Anspruch. Auffälligkeiten werden in der Regel in 6 Prozent der Fälle gefunden. Obwohl Routine, ist das Screening dennoch zeitintensiv: Bei Frauen mit dichtem Brustgewebe ist zusätzlich zur Röntgen-Mammographie häufig auch eine Ultraschall-Untersuchung nötig. In vielen radiologischen Praxen oder Abteilungen sind die Arbeitsabläufe nicht standardisiert, MRTAs haben immer wieder Rückfragen an den Radiologen oder die Radiologin.
Für RadiologInnen ist der Aufwand bei der Sichtung der Aufnahmen enorm, tägliche Arbeitszeiten von zwölf Stunden und mehr sind keine Seltenheit. Die große Herausforderung besteht darin, trotz der relativ monotonen Aufgabe durchgehend konzentriert zu bleiben. Denn Fehler können sowohl in medizinischer als auch in juristischer Hinsicht fatale Folgen haben. Unter hohem Zeitdruck und chronischer personeller Unterbesetzung leidet somit nicht nur die Gesundheit des Personals. Auch die Sicherheit der Patientinnen kann im schlimmsten Fall nicht mehr gewährleistet werden.
Was lässt sich gegen den Mangel an Fachkräften im Gesundheitswesen tun?
Der Fachkräftemangel in der Medizin wird in den kommenden Jahren zu großen Herausforderungen im Bereich der Brustkrebsvorsorge führen. Um neue Fachkräfte zu gewinnen und bestehendes Personal zu halten, gilt es an mehreren Stellschrauben zu drehen:
- Attraktivere Ausbildungsbedingungen: Das mit 01.01.2023 in Kraft tretende MTA-Reform-Gesetz soll die MTA-Ausbildung modernisieren und für junge Menschen attraktiver machen. Doch auch Arbeitgeber selbst können ihren Beitrag leisten, etwa indem Auszubildende von Beginn an als vollwertige Team-Mitglieder integriert und umfassend unterstützt werden.
- Persönliche Anerkennung: Wie Umfragen zeigen, ist es neben dem Gehalt gerade auch die persönliche Wertschätzung ihrer Arbeit, die für Beschäftigte zählt.
- Abbau von Bürokratie: Je mehr an Verwaltungsaufgaben Beschäftigte zu leisten haben, desto weniger Zeit bleibt für die eigentliche Arbeit mit und an Patientinnen.
- Standardisierung von Abläufen: Definierte Workflows erhöhen die Effizienz und machen es so möglich, die Last auf weniger Schultern zu verteilen, ohne einzelne MitarbeiterInnen zu überfordern.
Welche Chancen bieten moderne Technologien gegen den Fachkräftemangel in der Medizin?
Richtig und vernünftig eingesetzt, können auch digitale Lösungen das Personal entlasten und zugleich die Qualität der medizinischen Versorgung erhöhen. IT-gestützte Technologien vereinfachen nicht nur Administration und Verwaltung, sie können auch medizinische Arbeitsabläufe standardisieren und damit optimieren. So werden dringend benötigte zeitliche Ressourcen frei. Gerade repetitive Tätigkeiten, wie sie im Bereich der Brustkrebsvorsorge verbreitet sind, lassen sich durch technologische Lösungen ohne Qualitätsverlust effizienter gestalten. So kann der Einsatz künstlicher Intelligenz bei Mammographie-Screenings den Aufwand für das Gesundheitspersonal reduzieren und zugleich die Sicherheit und Präzision der Untersuchung verbessern.
Fest steht: Der Fachkräftemangel in der Medizin ist schon heute Realität und wird sich aufgrund des demografischen Wandels noch drastisch verschärfen. Dadurch könnten die in der Vergangenheit erzielten medizinischen Fortschritte im Bereich der Brustkrebsvorsorge und -behandlung torpediert werden. Kreative Lösungen wie der intelligente Einsatz moderner Technologien sind nötig, um die Gesundheit und Sicherheit von Personal und Patientinnen auch weiterhin zu gewährleisten.