Eine Praxisübernahme ist für viele RadiologInnen eine attraktive Option, um den Traum von der Selbstständigkeit zu verwirklichen. Doch eine Arztpraxis zu kaufen bedeutet auch, unternehmerisch tätig zu werden – mit allen Pflichten, Chancen und Risiken. Der Schritt in die Selbstständigkeit sollte daher sorgfältig geplant und systematisch umgesetzt werden. Dieser Artikel bietet eine erste Orientierungshilfe, was bei der Übernahme einer Radiologiepraxis zu beachten ist.
Was ist eine Praxisübernahme aus juristischer Sicht?
Die Übernahme einer bestehenden Arztpraxis ist eine Form der Existenzgründung, die juristisch als Betriebsübergang definiert ist. Die Wirkungen sind in der Schweiz durch das Obligationenrecht (OR) geregelt. Insbesondere sehen Art. 333 und 333a gesetzlich bindende Regelungen zum Schutz der Angestellten vor. Weitere Bedingungen wie Kaufpreis, Zahlungsmodalitäten oder die Übernahme von Miet- und Leasingverträgen können die Vertragsparteien jedoch individuell regeln. Die konkrete Ausgestaltung des Kaufvertrages entscheidet daher wesentlich über den zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg der Praxis. Mit Unterzeichnung des Kaufvertrages geht die Praxis rechtlich bindend auf den Nachfolger bzw. die Nachfolgerin über.
Wer darf eine Radiologiepraxis übernehmen?
In der Schweiz ist eine selbstständige ambulante ärztliche Tätigkeit bewilligungspflichtig. Vor der Praxisübernahme ist daher eine Berufsausübungsbewilligung (BAB, umgangssprachlich Praxisbewilligung genannt) einzuholen, die durch die kantonalen Gesundheitsdirektionen bzw. Gesundheitsämter ausgestellt wird. Um diese Zulassung zu erhalten, müssen ÄrztInnen eine mindestens dreijährige Tätigkeit im beantragten Fachgebiet – also Radiologie – an einer anerkannten schweizerischen Weiterbildungsstätte vorweisen. Seit Juli 2021 ist außerdem ein Nachweis der für die Tätigkeitsregion notwendigen Sprachkompetenz erforderlich. Je nach Kanton können unter Umständen Zulassungsstopps oder -einschränkungen gelten.
Praxisübernahme in der Radiologie: Die wichtigsten Vor- und Nachteile
Neu gründen oder doch lieber in die Fußstapfen eines Vorgängers, einer Vorgängerin treten? Eine Praxisübernahme bietet im Vergleich nur Neugründung einige wesentliche Vorteile: So ist die medizintechnische und IT-Infrastruktur bereits vorhanden und muss allenfalls modernisiert werden. Das bestehende Praxisteam wird ebenfalls übernommen und ist in der Regel gut eingearbeitet – dadurch entfällt die aufwendige Personalsuche und -einschulung. Durch den etablierten Patientenstamm und vorhandene Zuweiser-Netzwerke sind intensive Marketing-Maßnahmen nach dem Praxiskauf meist unnötig. In Kantonen mit Zulassungsbeschränkungen für ambulante RadiologInnen ist die Praxisübernahme zudem ein einfacher Weg, um eine Praxiszulassung zu erwerben.
Dennoch können mit einer Praxisübernahme auch gewisse Hürden, Stolpersteine und mögliche Nachteile verbunden sein. So ist der Gestaltungsspielraum durch die bereits vorhandene Praxisinfrastruktur oft eingeschränkt. Zudem kann es zu Reibungen und Konflikten mit dem bestehenden Personal kommen, falls der neue Praxisinhaber bzw. die -inhaberin gewohnte Prozesse und Strukturen verändern möchte. Zu bedenken ist auch: Immaterielle Werte wie ein großer Patientenstamm erleichtern zwar den Start in die Selbstständigkeit, können zugleich aber den Kaufpreis in die Höhe treiben.
Kosten einer Praxisübernahme: So setzt sich der Kaufpreis zusammen
Doch wie errechnet sich überhaupt der Kaufpreis einer Arztpraxis? Generell fließen sowohl materielle als auch immaterielle Werte in die Berechnung des Gesamtwerts einer Praxis mit ein. Zu den materiellen oder Substanzwerten zählen:
- die Immobilie
- medizintechnisches Inventar (wie Röntgen-, MRT- oder CT-Geräte)
- Praxiseinrichtung (Mobiliar, Beleuchtung, EDV-Ausstattung, etc.)
- bevorratete Verbrauchsmaterialien
- ggf. Kraftfahrzeuge
Die Substanzwerte können in ihrem aktuellen Zeitwert buchhalterisch erfasst werden. Schwieriger ist dagegen die Ermittlung der immateriellen oder ideellen Werte, in der Betriebswirtschaftslehre auch „Goodwill“ genannt. Diese umfassen:
- Standort der Praxis mit allen Vor- und Nachteilen
- Reputation der Arztpraxis
- Patientenstamm
- vorhandenes Personal und dessen Wissensstand
- Telefonnummer, Webauftritt
- Zuweisernetzwerke
- Lieferantenverträge
Der Goodwill spiegelt somit den Organisationswert der Arztpraxis wider. Da er viele „weiche Faktoren“ enthält, ist er schwieriger zu erfassen als der Substanzwert. In der Praxis haben sich verschiedene, von Banken akzeptierte Methoden zur Wertermittlung etabliert, die u.a. den Jahresumsatz der Praxis heranziehen. Wer auf Nummer Sicher gehen will, sollte vor einer Praxisübernahme externe Sachverständige wie auf den Medizinsektor spezialisierte WirtschaftsprüferInnen mit einer Praxiswertermittlung beauftragen.
Praxiskauf: Sofort oder gestaffelt?
Die Kaufpreise von Radiologiepraxen fallen aufgrund der medizintechnischen Ausstattung meist höher aus als in anderen Fachbereichen, mit 6- oder sogar 7-stelligen Beträgen ist zu rechnen. Nicht selten stellt die Finanzierung des Kaufpreises bei Praxisübernahmen eine große Hürde dar, zumal Banken die Gewährung von Krediten zunehmend restriktiver handhaben.
Es gibt jedoch verschiedene Möglichkeiten, den Praxiskauf vertraglich auszugestalten. Eine Option ist die sofortige Praxisübernahme mittels Einmalabfindung: An einem bestimmten Stichtag wird die Praxis mit sämtlichem Inventar, Verträgen und Personal an den Nachfolger bzw. die Nachfolgerin übergeben. Alternativ bieten sich sogenannte Earn-out-Vereinbarungen an. Dabei wird der Kaufpreis ganz oder teilweise aufgeschoben und vom zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg der Praxis abhängig gemacht. Häufig vereinbaren die Vertragsparteien einen Fixpreis für den objektiv feststellbaren Substanzwert, während der immaterielle Goodwill variabel ausgestaltet wird. Earn-out-Klauseln können somit das ökonomische Risiko für den neuen Praxisinhaber bzw. die Praxisinhaberin reduzieren.
Unabhängig von den Zahlungsmodalitäten ist zu überlegen, ob die Praxisübernahme mit sofortiger Wirkung oder gestaffelt, also schrittweise, erfolgen soll. Bei einer gestaffelten Praxisübergabe arbeitet der übergebende Radiologe oder die Radiologin noch für einen bestimmten Zeitraum im Unternehmen mit. Dies hat den Vorteil, dass sich der neue Praxisinhaber bzw. die Inhaberin, Personal und PatientInnen in Ruhe kennenlernen können, während der Seniorchef bzw. die -chefin weiterhin als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Dieser fließende Übergang kann für alle Beteiligten eine Win-win-Situation darstellen – selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass Senior- und JuniorpartnerIn auch in menschlicher Hinsicht harmonieren und zur konstruktiven Zusammenarbeit fähig sind.
Checkliste: Diese 10 Punkte sind bei der Praxisübernahme zu beachten
Eine sorgfältige, präzise Planung stellt das wichtigste Fundament für eine erfolgreiche Praxisübernahme dar. Dafür braucht es mitunter einen langen Atem: Zwölf Monate und mehr kann es von der ersten Idee bis zur Schlüsselübergabe durchaus dauern. Was sind nun die wichtigsten Aspekte und Fragen, die während der Planungsphase erledigt und geklärt werden müssen?
1. Formale Voraussetzungen der Praxisübernahme
Zunächst gilt es, die formalen Voraussetzungen für eine selbstständige ärztliche Tätigkeit durch Praxisübernahme zu überprüfen, die nötigen Bewilligungen einzuholen und den standesrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Je nach individuellen Voraussetzungen kann Folgendes notwendig sein:
- Einholung der Berufsausübungsbewilligung bei der kantonalen Gesundheitsdirektion
- Meldung der selbstständigen Tätigkeit bei der kantonalen Ausgleichskasse
- ggf. Zulassung zur Abrechnung mit der obligatorischen Krankenversicherung (Beantragung der ZSR-Abrechnungsnummer)
- ggf. Antrag auf Mitgliedschaft bei der kantonalen Ärztegesellschaft
Um Leistungen mit der obligatorischen Krankenversicherung abrechnen zu können, muss der neue Praxisinhaber bzw. die -inhaberin im Zahlenstellenregister der SASIS eine persönliche ZSR-Nummer beantragen. Da diese Nummer individuell ist, kann sie nicht vom Vorgänger übernommen werden.
2. Standort- und Praxisanalyse
Wer noch keine konkrete Praxis im Auge hat, kann über einschlägige Portale wie beispielsweise die FMH-Praxissuche oder die Praxissuche von premiumjob.ch nach einem geeigneten Übernahmeobjekt suchen. Da der wirtschaftliche Erfolg einer Radiologiepraxis maßgeblich von Rahmenbedingungen wie dem Standort abhängt, sollten Standort und Praxis vor der Praxisübernahme auf folgende Kriterien hin überprüft werden:
- Bevölkerungsstruktur im Einzugsgebiet
- bestehende Versorgung und Konkurrenzsituation im Einzugsgebiet
- Lage und Erreichbarkeit
- vorhandener Patientenstamm
- Zuweiser-Netzwerk
- Praxisteam
- medizintechnische Ausstattung und IT-Infrastruktur
- Modernisierungsbedarf
Bevor die Entscheidung für eine konkrete Praxis fällt, sollte unbedingt Einsicht in die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der letzten Jahre genommen werden.
3. Rechtsform
Mehrheitlich werden Arztpraxen in der Schweiz als Einzelunternehmen geführt. Möglich ist aber auch die Gründung einer Personen- oder Kapitalgesellschaft. Die Wahl der Rechtsform hat u.a. wichtige steuerliche und haftungsrechtliche Auswirkungen auf die Praxisübernahme. Es lohnt sich daher unbedingt, diese Entscheidung mit Bedacht zu treffen und gegebenenfalls professionellen Rat einzuholen.
Einen Überblick über Vor- und Nachteile verschiedener Rechtsformen bietet dieser Fachartikel des Urology Practice Management-Magazins.
4. Businessplan
Als künftige UnternehmerInnen kommen selbstständige RadiologInnen meist nicht um die Erstellung eines Businessplans herum. Dieser dient als persönlicher Leitfaden für die Praxisübernahme, aber auch als Grundlage, um Banken und potenzielle InvestorInnen zu überzeugen. Ein professioneller Businessplan sollte zumindest folgende Elemente enthalten:
- Executive Summary (Zusammenfassung)
- Leistungsspektrum inklusive möglicher Alleinstellungsmerkmale (z.B. innovative Technologien)
- Markt- und Wettbewerbsanalyse
- Finanz- und Liquiditätsplanung
- Personalplanung
- Marketingstrategie
- Risikoanalyse
- detaillierter Zeitplan der Praxisübernahme mit wichtigen Meilensteinen
5. Finanzierung der Praxisübernahme
Nur wenige RadiologInnen sind in der Lage, einen Praxiskauf allein mit ihrem Privatvermögen zu schultern. In der Regel müssen daher Banken oder andere InvestorInnen ins Boot geholt werden, um den Kaufpreis sowie eventuelle anfängliche Investitionen zu finanzieren. Um unnötige Kosten zu vermeiden, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
- professionellen Businessplan als Grundlage erstellen
- Kapitalbedarf detailliert aufschlüsseln
- bei Krediten Vergleichsangebote mehrerer Banken einholen
- staatliche Förderangebote (Gründungszuschüsse) überprüfen
Wichtig: Praxisübernahme-Vertrag und andere Verträge sollten erst nach der Kreditbewilligung unterschrieben werden!
6. Verträge und Versicherungen
Gemeinsam mit der Arztpraxis werden in der Regel auch vorhandene Verträge und Versicherungen übernommen. Es lohnt sich, diese vorab genau zu prüfen und gegebenenfalls neu auszuverhandeln. Dies betrifft insbesondere
- Arbeitsverträge des Personals (Vorsicht, Kündigungen aufgrund der Praxisübernahme sind gesetzlich nicht zulässig)
- ggf. Mietvertrag (Höhe des Mietzinses, Dauer und Kündigungsfristen)
- ggf. Leasingverträge für Geräte oder Kraftfahrzeuge
- ggf. Wartungsverträge
- Telefon, Internet, IT-Dienstleister
- Versicherungen
7. Praxisübernahme-Vertrag
Mit dem Kauf- bzw. Praxisübernahme-Vertrag wird der Übergang der Eigentumsverhältnisse rechtlich besiegelt. Die konkrete Ausarbeitung des Praxisübernahme-Vertrags sollten unbedingt FachanwältInnen übernehmen, denn hier lauern für juristische Laien viele Fallstricke. Ein professioneller Kaufvertrag enthält in der Regel mindestens folgende Elemente:
- Vertragsgegenstand
- Kaufpreis und Zahlungsplan
- Inventarliste
- Übernahme von Verträgen (inkl. Arbeitsverträge)
- Gewährleistungsansprüche
- Konkurrenzverbote bzw. Wettbewerbsklauseln
- Haftungen
- Forderungen und Verbindlichkeiten
- ggf. Regelungen zur Weiterbeschäftigung des Verkäufers
- Rücktrittsrecht
8. Patientendaten
Da das Arztgeheimnis auch gegenüber Gesundheitspersonal gilt, ist eine einfache Weitergabe von Patientendaten rechtlich nicht zulässig. Das bedeutet, dass der neue Praxisinhaber bzw. die Praxisinhaberin eine schriftliche Einwilligung von PatientInnen einholen muss, um Zugriff auf deren Daten zu erhalten. In der Regel wird diese Einwilligung eingeholt, sobald sich der Patient oder die Patientin nach der Praxisübernahme zum ersten Mal in der Praxis vorstellt.
9. Bekanntmachung der Praxisübernahme
Ist die Praxisübernahme vertraglich besiegelt, sollten PatientInnen und ZuweiserInnen über den Inhaberwechsel informiert werden. Mögliche Kommunikationskanäle sind:
- Aushang und Flyer in der Praxis
- persönliches Anschreiben an PatientInnen, ZuweiserInnen und andere Netzwerk-PartnerInnen
- telefonische Kontaktaufnahme zu wichtigen Netzwerk-PartnerInnen
- Update der Website
- Update von Google-Profil, Social-Media-Profilen und anderen Brancheneinträgen
- Änderung der Außenbeschilderung
10. Praxismarketing
Auch wenn eine Praxisübernahme keinen Start von Null auf bedeutet, sollten eigene Marketing-Maßnahmen nicht vernachlässigt werden. Gerade im Fachgebiet der Radiologie ist es dabei wichtig, neben PatientInnen auch potenzielle ZuweiserInnen als Zielgruppe im Blick zu behalten.
Praxisübernahme: Unterstützung durch externe Profis reduziert wirtschaftliches Risiko
Eine Praxisübernahme ebnet vielen RadiologInnen den Weg in die Selbstständigkeit. Doch auch wenn die ökonomischen Risiken im Vergleich zur Neugründung geringer ausfallen, handelt es sich doch um ein komplexes unternehmerisches Projekt, das von Beginn an gut geplant und idealerweise durch externe ExpertInnen begleitet werden sollte. Es lohnt sich daher unbedingt, während der Start-up-Phase die Unterstützung von RechtsanwältInnen, SteuerberaterInnen und / oder WirtschaftsprüferInnen in Anspruch zu nehmen. Auch der schweizerische Berufsverband FMH bietet fachkundige Beratungen zur Praxisgründung oder -übernahme an.