Unser Gesundheitswesen ächzt unter multiplen Belastungen wie Personalmangel, Kostendruck und den Nachwirkungen der Pandemie. Künstliche Intelligenz (KI) könnte die Medizin in Zukunft effizienter, präziser und sicherer machen – und damit den dringend benötigten Systemwandel anstoßen. Was leisten selbstlernende Systeme schon jetzt, und welche Aufgaben könnten sie künftig übernehmen? Eine Bestandsaufnahme.
KI in der Medizin der Zukunft: Wo stehen wir heute?
Die Digitalisierung ist in allen Bereichen und Branchen auf dem Vormarsch. Auch im Gesundheitswesen. Und sie hat einige Überraschungen mit im Gepäck. Wurde der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin noch vor wenigen Jahren als Utopie oder Hype abgetan, so stellt sie bereits heute die Zukunft der Medizin dar. Schon jetzt setzt etwa die bildgebende Diagnostik intelligente Software ein, um die Bildqualität zu verbessern und das technische Potenzial der Geräte voll auszuschöpfen. Auch wirtschaftliche Daten weisen in eine eindeutige Richtung: So wurden bereits 2018 weltweit rund 2,1 Milliarden US-Dollar durch den Einsatz von KI im Gesundheitswesen umgesetzt. Prognosen zufolge soll der Marktumsatz bis 2035 auf mehr als 16 Milliarden US-Dollar steigen.
Wie funktioniert KI in der Medizin?
Doch was ist KI eigentlich? Allgemein beschreibt dieser Begriff algorithmische Systeme, die zuvor definierte Aufgaben lösen können. Der für die medizinische Zukunft relevante Teilbereich der KI nennt sich maschinelles Lernen. Grob lassen sich hier zwei Strategien unterscheiden:
- Beim „überwachten Lernen“ füttert man die Software mit einer großen Menge an Daten und trainiert sie darauf, bestimmte Zusammenhänge zu erkennen – beispielsweise auf der Basis von CT-Scans zu entscheiden, ob ein Lungenkarzinom vorliegt oder nicht. Nach Abschluss der Lernphase kann die Software neue Bilder selbstständig klassifizieren.
- Beim „unüberwachten Lernen“ erhält die Software neben Datensätzen einen Algorithmus, um sich selbst durch wiederholte Anwendungen in der Erkennung von Strukturen zu trainieren. Beispielsweise wird die Software vor die Aufgabe gestellt, gesunde und kranke Zellen nach bestimmten Mustern und Gemeinsamkeiten zu durchforsten.
Häufig basieren KI-Algorithmen auf sogenannten „künstlichen neuronalen Netzen“. Ähnlich wie tierische Nervensysteme bestehen diese Netzwerke aus mehreren miteinander verbundenen Einheiten („Neuronen“), die Informationen verarbeiten können. In besonders komplexen Fällen spricht man auch von „Deep Learning“. Dabei kommen viellagige neuronale Netzwerke zum Einsatz, die mehrdimensionale Inputdaten verarbeiten können, wie sie beispielsweise im Bereich der Bilderkennung anfallen.
Welche Vorteile bringt KI für die Zukunfts-Medizin?
Heute bestimmen vielfach Zeitdruck und Personalmangel den Alltag in Kliniken und Arztpraxen. Gerade Routinetätigkeiten binden viele Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen. Dabei ist es ineffizient, dem menschlichen Gehirn Leistungen abzuverlangen, für die es nicht gemacht ist. Denn das Jonglieren mit Datensätzen oder das Herstellen statistischer Zusammenhänge erledigen Computer wesentlich schneller und fehlerloser als wir.
Künstliche Intelligenz setzt den Trend zur Digitalisierung fort und hebt ihn auf ein neues Level. Repetitive Aufgaben wie das Sichten von MRT-Scans oder die Auswertung histologischer Befunde könnten in der Medizin der Zukunft an KI-Applikationen delegiert werden. Für das Gesundheitspersonal bliebe mehr Zeit, um auf dieser Basis medizinische Entscheidungen zu treffen oder PatientInnen-Gespräche zu führen. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Wo könnte KI in der Medizin der Zukunft verwendet werden?
KI könnte die Medizin in Zukunft auf allen Ebenen transformieren und sowohl Prävention als auch Diagnostik und Therapie unterstützen. Große Hoffnung ruht derzeit vor allem auf diesen Anwendungsbereichen:
1. KI in der Diagnostik
Gerade im Bereich der bildgebenden Verfahren ist die Anwendung von künstlicher Intelligenz weit fortgeschritten. Im experimentellen Rahmen sind selbstlernende Systeme bereits heute in der Lage, Melanome mit höherer Präzision zu erkennen als geschulte DermatologInnen, wie schon 2019 in einer Studie gezeigt wurde. In der Medizin der Zukunft könnte KI-basierte Software Röntgen-, MRT- oder CT-Scans automatisiert nach Auffälligkeiten durchforsten und damit RadiologInnen und MRTAs von zeitraubenden Routinetätigkeiten entlasten. Ebenso könnte die zeitaufwendige Auswertung histologischer Befunde an KI-Systeme delegiert werden.
2. KI zur Planung personalisierter Behandlungen
Bereits heute können selbstlernende Algorithmen mit hoher Präzision voraussagen, ob PatientInnen beispielsweise eine Chemotherapie überleben werden. Durch die Verknüpfung großer Datenmengen und mithilfe komplexer statistischer Verfahren könnten selbstlernende Systeme künftig nicht nur Vorhersagen über den Krankheitsverlauf treffen, sondern auf dieser Basis auch maßgeschneiderte Präventions- und Therapiepläne entwickeln.
3. KI zur Unterstützung von Operationen
In zunehmendem Maß unterstützen selbstlernende Systeme auch die Arbeit von ChirurgInnen. Gerade im Verbund mit Robotik und Augmented Reality (AR) haben KI-Systeme in der Medizin zukünftig großes Potenzial, um Operationen noch besser zu planen und präziser umzusetzen.
4. KI in der medizinischen Forschung
Ein weiteres Feld, in dem sich KI mit Blick auf die Zukunft der Medizin bereits bewährt hat, ist die Forschung an neuen Medikamenten. Algorithmische Systeme können unter anderem zur Identifizierung von Interventionszielen beitragen sowie bei der Suche nach geeigneten Wirkstoff-Kandidaten helfen.
Wie verändert künstliche Intelligenz das Gesundheitswesen?
Die moderne Medizin steht vor einem Dilemma: Einerseits produziert die Digitalisierung eine Flut an Daten, andererseits mangelt es an Ressourcen, diese sinnvoll zu nutzen. Die Anwendung von KI in der Medizin kann diese Lücke in Zukunft schließen. Sie wird darüber hinaus die Organisation unseres Gesundheitssystems grundlegend verändern. Denn selbstlernende Software ist nicht zwingend an die ärztliche Praxis gebunden. PatientInnen könnten sie beispielsweise auf ihrem Smartphone installieren und sich dadurch den einen oder anderen Arztbesuch ersparen.
Global betrachtet, könnten KI-Systeme schließlich auch Menschen zugutekommen, die bisher keinen adäquaten Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Hier ist gerade der enorme Gewinn an Effizienz ein Segen. Hilfsorganisationen etwa könnten mithilfe intelligenter Software besser entscheiden, welche der vielen PatientInnen eine weitergehende Behandlung benötigen.
Wird KI den Arzt ersetzen?
Doch machen sich MedizinerInnen durch die Anwendung von KI zukünftig nicht selbst obsolet? Diese Befürchtung ist unbegründet. Denn Algorithmen können nur definierte Aufgaben lösen, sie sind aber weder zu komplexen Denkleistungen noch zu menschlicher Zuwendung fähig. KI wird daher das Gesundheitspersonal nicht ersetzen, aber sehr wohl von Routineaufgaben entlasten, damit mehr Zeit für die eigentliche Arbeit an und mit PatientInnen bleibt.
Selbstverständlich sind KI-Systeme nicht perfekt und können Fehler machen. Daher werden auch in Zukunft menschliche Kontrollinstanzen wichtig und notwendig sein. Gerade in der organisierten Zusammenarbeit zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz, in der Fachsprache auch „human-in-the-loop“ genannt, liegt großes Potenzial, wie etwa diese Studie gezeigt hat.
Welche rechtlichen und ethischen Standards muss KI in der Medizin erfüllen, um sich in Zukunft zu etablieren?
Nicht zu vergessen ist: Der zukünftige Einsatz von KI in der Medizin wirft sehr komplexe rechtliche und ethische Fragestellungen auf, deren juristische und gesellschaftliche Aufarbeitung gerade erst begonnen hat. Die größten Herausforderungen liegen in diesen Bereichen:
- Datenschutz: Gerade datenschutzrechtlich kann die Entwicklung und Anwendung selbstlernender Software heikel sein, da Gesundheitsdaten durch die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einem besonderen Schutz unterliegen.
- Haftungsfragen und berufsrechtliche Fragen: Wie kann die Zuverlässigkeit und Sicherheit von KI-Anwendungen in der Medizin der Zukunft gewährleistet werden? Wer trägt letztlich Verantwortung für diagnostische oder therapeutische Entscheidungen, die eine KI-Applikation getroffen hat? Fragestellungen wie diese werden für die Zulassung von KI-Anwendungen als Medizinprodukt eine wichtige Rolle spielen.
- Diskriminierungsfreiheit: KI-Systeme übernehmen allfällige Fehler, Verzerrungen oder Vorurteile in der Datenbasis und schreiben diese fort. Das könnte – so befürchten KritikerInnen – zu einer Benachteiligung vulnerabler Personengruppen führen.
Regulierungsbehörden werden hier noch viele Detailfragen zu klären haben und einiges an Beratungsarbeit leisten müssen.
Insgesamt aber ist der Siegeszug von KI, wie wir sie schon jetzt bei b-rayZ einsetzen, in der Medizin der Zukunft unaufhaltbar. Durch die Kooperation menschlicher und künstlicher Intelligenz werden letztlich alle Beteiligten profitieren: Das Gesundheitspersonal, weil es von zeitraubender Fließbandarbeit entlastet wird. Die PatientInnen, weil sie präzisere, schnellere Diagnosen und eine individualisierte Behandlung erhalten. Und nicht zuletzt die Allgemeinheit, weil effizientere Behandlungen auch weniger Kosten verursachen.